Zu den Vorwürfen zu unserer Veranstaltung „Daheim entfremdet“

Wir als SDS.dielinke Marburg stehen ganz klar zu der Existenzberechtigung Israels. Wie man von der Veranstaltung auf das Absprechen dieser Berechtigung kommt, können wir nicht nachvollziehen. Gleichzeitig kritisieren wir die rechtsnationale Regierungspolitik und die völkerrechtswidrige Besatzungs- und Siedlungspolitik Israels. Dazu haben wir mit Nirit Sommerfeld eine deutsch-israelische Künstlerin eingeladen, die sich für „Gerechtigkeit zwischen Israelis und Palästinensern“ einsetzt und eigene Erfahrungen mit einfließen lassen kann. Wir glauben, dass viel mehr gewonnen wäre, wenn man sich anhört, was Sommerfeld zu sagen hat.



Das Urteil über das schauspielerische Talent Sommerfelds erfüllt weder eine immanente Kritik, noch ist sie dienlich zum Vorwurf des Antisemitismus. Auch weitere Interpretationen zu Titel und zur Biografie der Autorin, sowie Prognosen über den Verlauf der Veranstaltung, lassen auf ein voreingenommenes Urteil schließen. „Die Kritik (ist) keine Leidenschaft des Kopfes, sie ist der Kopf der Leidenschaft“ (Marx¹). Kopf und Leidenschaft stehen immer im Verhältnis zueinander, nicht per se als Gegensatz. Um nun diese marxsche Passage real anzuwenden, versuchen wir Praxis und Theorie zu begreifen und wollen daher unterschiedliche Positionen zu Wort kommen lassen. Wir vertreten die Meinung, dass wir Antisemitismus nicht nur bei anderen suchen müssen, sondern auch uns selber immer hinterfragen sollten. Wir stehen für die Gleichberechtigung aller ein und wollen in keiner Weise eine weltverschwörerische Rhetorik reproduzieren. Vielmehr verfolgen wir den Ver­such, uns von rassistischen Begriffen zu lösen und positive Geschichten hörbar zu machen. Wir verwenden dazu bewusst die Methode des Storytellings, um eine Diskussion, die unterschiedliche Positionierungen zulässt, auszulösen.

Wir sehen uns in der Verantwortung, über eine Jahrhunderte alte Kultur der Menschenfeindlichkeit hinwegzukommen. Denn wie der Friedensnobelpreisträger und Holocaustüberlebende, Elie Wiesel, gesagt hat: „Wenn wir den Antisemitismus wirklich besiegen wollen, dann müssen wir bereit sein, auf die dunklen Seiten unseres eigenen Herzens zu schauen“.²

Wir bedauern sehr, dass der Versuch eines Dialoges von vornerein abgelehnt wird und laden daher herzlich dazu ein, eine offene und tolerante Diskussion zuführen.

„Leidenschaften, die unsere Interessen stören, empören uns. Und mit einer Inkonsequenz, die aus ihnen selbst entspringt, tadeln wir bei anderen […]. Was brauchte man also, um die Menschen richtig zu beobachten? Man muß sie kennenlernen wollen. Man muß unparteiisch sein, ein Herz haben, das empfindsam genug ist, um alle menschlichen Leidenschaften zu begreifen, und ruhig genug, um sie nicht zu erdulden“ (Rousseau³).


1) Marx, Karl. 1976. Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung. Berlin: Dietz Verlag.

2) https://www.deutschlandfunk.de/religionswissenschaftler-michael-blume-antisemitismus.886.de.html?dram:article_id=450943

3) Rousseau, Jean-Jacques. 1974. Emil oder über die Erziehung. Paderborn: Ferdinand Schöningh.