Gewaltiger Rechtsruck in der Marburger Hochschulpolitik

„Unabhängige“ outen ihre Studi-Feindlichkeit – Bericht des SDS aus dem Student*innenparlament

 

„Es genügte, daß der Opportunismus sprach, um zu zeigen, daß er nichts zu sagen hatte“
Rosa Luxemburg, Sozialreform oder Revolution? – Vorwort: Berlin 1899.

 

Die Rechtsentwicklung in Deutschland macht keinen Halt vor den Universitätstüren. An der Philipps-Universität Marburg wurde am 23.10.2024 in der konstituierenden Sitzung zum ersten Mal seit Jahren ein Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) Mitglied im AStA-Vorstand sowie ein Mitglied der Arminia Burschenschaft als Referent in den AStA gewählt. Der RCDS hält dabei nur 3 von 31 Sitzen und wird durch die rechte Liste, die sich als „Die Unabhängigen“ tarnt, in den Vorstand gehievt.

Warum ist das keine erfreuliche Entwicklung?

Die Lage der Studierenden in Marburg ist katastrophal: Deutschlandweit sind 35% der Studierenden nach neusten Zahlen armutsgefährdet. Nur etwa 10% der Studierenden erhalten Bafög, welcher erwiesenermaßen niedriger liegt als das Bürgergeld. Nach der neusten Shell-Jugendstudie steigt das Interesse Jugendlicher an Politik. Am höchsten ist dabei die Angst vor einem Krieg in Europa (81% der Befragten). Die zweitgrößte Angst der befragten Jugendlichen ist die vor Armut (67%). Während an der Universität der Leistungsdruck in gleicher Weise zunimmt wie mentale Krankheiten unter Studierenden, deutet die Wahl der rechten AStA-Mitglieder an, dass es keine progressive Antwort auf diese Problemstellungen seitens des AStA geben wird.

Entdemokratisierung geplant!

Stattdessen erfolgte ein Geschäftsordnungsantrag aus dem rechten Block, der von der „Unabhängigen“ Liste eingebracht worden ist. Dieser Geschäftsordnungsantrag sollte die Grundlage und Regeln des Studierendenparlaments neu bestimmen und war dabei äußerst irritierend:

  1. Entdemokratisierung: Der Antrag beinhaltete das bisherige Rederecht für alle Universitätsangehörigen abzuschaffen und nur noch per Mehrheitsentscheidung (Achtung, aktuell rechte Mehrheit) per Geschäftsordnungsantrag zuzulassen. Bisher konnte z.B. jede:r Studi sich an den Debatten des Studierendenparlaments beteiligen.
  2. Antifeministischer Angriff: Sämtliche Quotierungen, sowohl in der Redereihenfolge als auch in der Besetzung von Vorständ:innen sollte abgeschafft werden.
  3. Autoritarismus statt Debatte: Jederzeit soll eine Debatte beendet werden können auf Beschluss der Mehrheit. Das bedeutet, dass die Koalition aus der „Unabhängigen“ Liste, RCDS und der Liberalen Hochschulgruppe jederzeit Anträge einbringen kann und per Mehrheit ohne Debattenmöglichkeit und Argumentationsaustausch durchpeitschen könnte.

Glücklicherweise wurden diese undemokratischen Vorgehensweisen mit 1-Stimme Mehrheit durch Beantragung von geheimer Abstimmung gewissenhaft abgelehnt.

„Unabhängige“ Liste als Steigbügelhalter der Rechten

Dass die politischen Inhalte der jeweiligen Listen zweitrangig sind, wurde daran deutlich, dass es eine der entpolitisiertesten Sitzungen war, da es stärker um Persönlichkeiten als um studentische Belange ging. In der Sitzung davor noch haben wir einen umfassenden Antrag zur Verantwortung der Universität zum Krieg in Palästina/Israel verfasst und welche Möglichkeiten Perspektiven aufgezeigt, wie praktische Hilfe zu schaffen wäre.

Mehrere studentische Referenten abgelehnt – AStA ab jetzt „unabhängiger“ Bedienungsladen

Etliche Studierende, die sichtbar gute Arbeit geleistet haben, wurden abgelehnt. Darunter Referate wie Öffentlichkeit, Homosexualität Kultur & Wissenschaft (HoKuWi), Politische Bildung & Kultur, Geschlechterpolitik, Umwelt sowie Hochschulpolitik als auch ein Finanzvorstand wurden nicht gewählt.  Begründungen gab es keine, genauso wie inhaltliche Diskussionen. Größtenteils listenlose Personen wurden ausgetauscht und durch Personen der „Unabhängigen“ ersetzt. Der AStA und studentische Gelder werden zunehmend entpolitisiert, entinhaltlicht und stattdessen von Personen der eigenen Listen übernommen. Dabei fällt wichtigere Arbeit weg. Hervorheben möchten wir beispielsweise das HoKuWi-Referat, dass seit mehreren Jahrzehnten unabhängig der AStA-Mehrheiten stets geführt wurde und u.a. Queere-Filmreihen im alternativen Kino „Capitol“ veranstaltet. Diese Arbeit wurde durch die rechte Mehrheit leider vorerst verhindert.

Aktiv werden gegen Rechts!

In einer Zeit, wo alle nach rechts rücken, möchten wir gerade stehen für eine antikapitalistische und solidarische Alternative zum neoliberalen und rechten Einheitsbrei. Wir werden im Studierendenparlament weiterhin die Stimme für Frieden und für die sozialen Belange der Studierenden sein. Dabei wissen wir: Wirklich was umsetzen schaffen wir an der Universität nur, wenn alle mit anpacken! Deshalb: Werde aktiv bei uns und mach mit!